Ältestes Bild von Niklaus von Flüe von 1492 auf dem linken Flügel des ehemaligen gotischen Hochaltars in der alten Sachsler Pfarrkirche. (Foto: zVg) Ältestes Bild von Niklaus von Flüe von 1492 auf dem linken Flügel des ehemaligen gotischen Hochaltars in der alten Sachsler Pfarrkirche. (Foto: zVg)
Als Vorbereitung auf die Feier des 75-Jahr-Jubiläums der Heiligsprechung von Niklaus von Flüe, die am Sonntag, 15. Mai 2022, in Sachseln begangen wird, organisierte das Stift St. Leodegar am 11. Mai ein Impulsreferat mit dem Kirchenhistoriker Albert Gasser (Sarnen). Der frühere Professor für Kirchengeschichte an der Theologischen Hochschule Chur gab mit packenden Worten und Sprachbildern einen Einblick in das Leben des Ranfteremiten und in die Zeit der Heiligsprechung. Hier ein paar Kostproben aus dem Vortrag, der zusammen mit einem Referat von Chorherr Prof. em. Dr. Stephan Leimgruber über Charles de Foucault von der Inländischen Mission im Juni 2022 in einer Broschüre veröffentlicht wird. Auf dem hier abgebildeten Altarflügel der alten Sachsler Kirche findet sich das erste Bild von Niklaus von Flüe aus dem Jahre 1492. Die Obwaldner führten also mit Niklaus auf eigene Faust eine «Santo subito»-Aktion durch, was sich für die später angestrebte Seligsprechung als Hindernis erweisen sollte. Albert Gasser dazu: «Das ganz Aussergewöhnliche daran ist, dass Bruder Klaus die ungeteilte Akzeptanz seiner Landsleute genoss, obwohl er ihnen nicht nach dem Mund redete . Dazu kam, dass Bruder Klaus eine gebrochenes Verhältnis zu den Pfarrern von Sachseln hatte. Da könnte sogar Jesus neidisch werden, der in seinem Dorf Nazareth abgelehnt wurde, was ihn zum Urteil veranlasste: <Nirgends hat ein Prophet sowenig Ansehen wie in seiner Heimat …>  (Markus 6,4). Das war bei Bruder Klaus phänomenal anders und gehört meines Erachtens zum beispiellosen Geheimnis seiner Biografie (…). Bruder Klaus war ein vorreformatorischer Wegweiser, was seinen nachhaltige Ausstrahlung nach der Reformation ab den 1520er-Jahren auch bei den Neugläubigen förderte. «Huldrych Zwingli war Lateinschüler des ersten offiziellen Bruder Klaus-Biografen Heinrich Wölflin und fand lobende Worte für den Einsiedler im Ranft, der Gottes Wort vor <Eigennutz> stellte. Die reformierten Eidgenossen sahen in der Reformation die folgerichtige Konsequenz vom Wirken des Niklaus von Flüe (…). Die Heiligsprechung von Bruder Klaus fand in einem optimalen Zeitfenster statt, nach zwei Weltkatastrophen, in der unmittelbaren Nachkriegszeit. Die Schweiz blieb beidemal verschont. Aber im Mai 1947 ging es nicht um schweizerische Selbstgefälligkeit. Europa war geschwächt und in Nöten. Deutschland lag moralisch und materiell in Trümmern. Das Friedensbeispiel von Bruder Klaus wurde dort besonders verstanden. Ausgerechnet schweizintern gab es Stolpersteine. Während des Zweiten Weltkriegs, als sich ab 1943 der Kriegsausgang abzeichnete und die Befindlichkeit der Schweiz sich entspannte, kam es zu neuer konfessioneller Gereiztheit, deren Ursache letztlich schwer nachvollziehbar bleibt. In der Neujahrsansprache 1942 übergab der katholisch-konservative Bundespräsident Philipp Etter die Eidgenossenschaft dem Machtschutz Gottes und der Fürbitte des <Landesvaters Bruder Klaus>. Dagegen reichten protestantische Kreise eine negative Vaterschaftsklage gegen den Eremiten im Ranft ein. Die geplante Heiligsprechung sorgte für ein neues kulturkämpferisches Fressen um den grossen Faster im Ranft (…). Als der feierliche Tag der Heiligsprechung bevorstand, rätselte man, ob Philipp Etter als Bundespräsident oder als katholischer Bürger nach Rom reisen werde. Aber Etter reiste nicht. Er hielt sich an die damals ungeschriebene Regel, dass der Bundespräsident im Amtsjahr das Land nicht verlässt. Wer aber vertrat die Schweiz in Rom? Niemand. Beim Akt der Heiligsprechung war das gesamte diplomatische Korps im Petersdom anwesend, unter anderem die USA, China (!), die Türkei (!). Nur die fast zur Hälfte katholische Schweiz, um deren konfessionell unbestritten verdienten Mitbürger es ging, glänzte offiziell durch Abwesenheit. Oder doch nicht ganz? Unter den Anwesenden bemerkte man den katholischen Tessiner Bundesrat Enrico Celio. Aber er war <privat> in Rom. (…). Fassen wir alles in ein Schlusswort, und suchen wir nochmals nach dem Kern des Wirkens von Bruder Klaus. Teresa von Avila, die grosse spanische Mystikerin des 16. Jahrhunderts, war auch eine Frau mit Bodenhaftung. Von ihr ist folgendes Gebetsanliegen überliefert: <Bewahre mich vor der Einbildung, bei jeder Gelegenheit und zu jedem Thema etwas sagen zu müssen!> Bruder Klaus hatte diese Versuchung nie. Er redete nicht von sich aus. Er hörte zu und antwortete darauf, wie es die Gelegenheit ergab und erforderte. Es war immer ein Eintreten auf Fragesteller oder Ratsuchende. Er redete nicht, ohne sie vorher gehört  oder mit Einfühlungsvermögen ihre Nöte erkannt zu haben. Er hielt keine Ansprachen oder Sonntagsreden. Er belehrte und dozierte nicht. Dabei war er der Sprache sehr mächtig. Sie war mit Bilderreichtum gespickt. Vielleicht liegt das innerste Geheimnis seiner Glaubwürdigkeit darin, dass er nie sich selbst verkaufen wollte, sondern den Menschen im Hier und Jetzt zur Seite stand. Mit allen auf Augenhöhe, grundehrlich und wohlwollend. So bleibt sein Vorbild topaktuell!» (Albert Gasser). Artikelreihe zum 75-Jahr-Jubiläum der Heiligsprechung von Niklaus von Flüe, die auf www.bruderklaus.com aufgeschaltet ist: 75-Jahre-Heiligsprechung_Artikel-Sammlung Zum Festprogramm 75 Jahre Heiligsprechung Niklauf von Flüe: www.bruderklaus.com